Volksschule stärken - drängende Fragen zu neuen Schulmodellen beantworten

Interpellation aus der FDP-Kantonsratsfraktion

Schulentwicklung im Kanton St.Gallen – Klärung offener Fragen zur Umsetzung von neuen Schulmodellen

Die Schulentwicklung im Kanton St.Gallen schreitet voran – zunehmend dezentral und uneinheitlich was zu wachsender Verunsicherung bei Eltern, Lehrpersonen und Gemeinden führt. Verschiedene Schulträger setzen neue Modelle um, die tiefgreifende Veränderungen in der Organisation des Unterrichts mit sich bringen. Insbesondere die Einführung von Mehrjahrgangsklassen (z.B. AdL – Altersdurchmischtes Lernen), im Gegenzug die Abschaffung von Mehrjahrgangsklassen sowie die Zusammenlegung von Schulstufen (z.B. Sekundar- und Realschule) werfen zahlreiche Fragen auf.

Die zunehmende Heterogenität der Schulmodelle im Kanton St.Gallen führt zu einer Fragmentierung des Bildungsraums. Während die Gemeinden ihre Autonomie in der Schulentwicklung nutzen, fehlt es an übergeordneten Leitlinien und einer systematischen Evaluation. Die im Folgenden genannten Beispiele zeigen, dass grundlegende Fragen zu Rechtsgrundlagen, Ressourcen, Qualitätssicherung und Elternpartizipation offen sind.

Beispiele aus Gemeinden:

  • Die Stadt St.Gallen plant eine tiefgreifende Umstrukturierung der Oberstufe, bei der Sekundar- und Realklassen zusammengelegt werden sollen. Es gibt kritisch Stimmen der Eltern. Die geplanten Veränderungen betreffen zentrale Aspekte von Leistungsdifferenzierung über Klassenzusammensetzung bis hin zu Schulstandorte.
  • In Rebstein hat sich eine parteiunabhängige Interessengemeinschaft gegen ein neues Schulmodell formiert, das eine Trennung der Schulhäuser nach Jahrgangsstufen vorsieht. Die Initianten kritisieren insbesondere die fehlende Kosten-Nutzen-Abwägung sowie die mangelnde Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern, Eltern und Lernpersonen.
  • In Wittenbach wurde die Einführung von Altersdurchmischtem Lernen (AdL) mit bis zu vier Jahrgängen geplant. Ein Initiativtext wurde eingereicht, um dies zu verhindern, soll die Schulordnung angepasst werden. Ziel ist es, die Einführung solcher Modelle an klare Bedingungen zu knüpfen. Die Initianten fordern die Klärung von zeitlichen, inhaltlichen und örtlichen Grundlagen, bevor AdL umgesetzt wird.
  • In Häggenschwil wird nach zehn Jahren wieder von altersdurchmischten Klassen mit vier Jahrgängen auf Jahrgangsklassen umgestellt. Sie begründen, dass die Altershomogenität durch die Unterrichtsgestaltung für Lehrpersonen erleichtert wird und die Kinder von einer gleichmässigeren Entwicklung innerhalb ihrer Altersgruppe profitieren.

Wir bitten die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Welche Grundlagen regeln die Einführung von Mehrjahrgansklasse mit mehr als drei Jahr-gängen in einer Klasse gemäss VSG?
  2. Gemäss Art. 28 VSG dürfen in der Primarschule einer Lehrperson nicht mehr als drei Jahrgangsklassen zugewiesen werden. Ausnahmen bedürfen der Bewilligung der zuständigen kantonalen Stelle. Wie wird diese Regelung in der Praxis umgesetzt?
  3. Welche Kriterien legt das Bildungsdepartement bei der Bewilligung solcher Modelle zugrunde?
  4. Die kantonalen Grundlagen definieren einen finanziellen Rahmen, für personelle Ausstattung von Schulen. Der Kanton St.Gallen ermöglicht eine höhere Bandbreite beim Pro-Kopf-Faktor für Mehrjahrgangsklasse (ab zwei Jahrgängen) der Primarschule zwischen 1,41 bis 1,99 (statt bis 1,69 bei Jahrgangsklassen). Der Pro-Kopf-Faktor beziffert das Lehrpersonenpensum in Lektionen, das pro Schüler:in für den Unterricht eingesetzt werden darf. Somit dürfen die Gemeinden in einer Mehrjahrgangsklasse mehr Ressourcen einsetzen. Folglich ist es so, dass der Kanton entscheidet und die Gemeinden müssen dann die Mehrkosten tragen?
  5. Welche Vorgaben gelten im Kanton St.Gallen, wenn die maximale Klassengrösse von 24 Schüler überschritten wird?
  6. Welche ausgleichenden Massnahmen sind in solchen Fällen vorgesehen?
  7. Wie wird verhindert, dass die Flexibilisierung zu einer Überforderung der Lehrpersonen oder zu einer Verschlechterung der Lernbedingungen führt?
  8. Kann der Kanton Einfluss nehmen, dass Schülerinnen und Schüler bei der Einführung eines neuen Schulmodells auch einen Nutzen haben?
  9. Welche Rolle spiele ökonomische Überlegungen bei der Einführung neuer Schulmodelle?
  10. Gibt es standardisierte Verfahren zur Evaluation von Pilotprojekten hinsichtlich Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit? Dies auch im Sinne einer Outputkontrolle?
  11. Gibt es Überlegungen, im Rahmen der Totalrevision des Volksschulgesetzes verbindlichere Leitlinien oder Mindeststandards für neue Schulmodelle festzulegen?