Kleidervorschriften: Nüchterne Analyse statt Wahlkampfgetöse

FDP-Fraktion zieht eine positive Bilanz zur Novembersession

Die Novembersession des St.Galler Kantonsrats stand im Zeichen der Budgetberatung sowie der Umsetzung von bereits früher verabschiedeten Beschlüssen im Rahmen des Entlastungspakets 2013. Die FDP-Fraktion nimmt zur Kenntnis, dass die vorangetriebene Sanierung der Kantonsfinanzen weiter Formen annimmt. Das prognostizierte effektive Defizit von 76 Mio. Franken lässt dennoch keinen Spielraum für finanzielle Sonderwünsche.

St.Gallen, 26. November 2014 | Bei Einnahmen und Ausgaben in der Höhe von 4,7Mia. Franken rechnet der Kanton St.Gallen im Budget 2015 mit einem effektiven Defizit von 76 Mio. Franken. Vor dem Hintergrund der gravierenden Defizite früherer Jahre darf festgestellt werden, dass die Sanierung der St.Galler Kantonsfinanzen in Griffweite rückt. Die im Rahmen der  Sparpakete I und II bzw. des Entlastungspakets 2013 verabschiedeten Massnahmen entfalten die gewünschte Wirkung. Zufrieden nimmt die FDP zur Kenntnis, dass die Mehrheit des Kantonsrats auch am Vorabend des Wahljahrs nicht gewillt ist, vom eingeschlagenen Kurs abzuweichen. So blieben ein von linksgrüner Seite eingereichter Antrag, den Personalaufwand um 11 Mio. Franken zu erhöhen ebenso chancenlos wie der Versuch, weitere 9 Mio. Franken in die individuelle Prämienverbilligung umzuleiten. Aus Sicht der FDP-Fraktion wird die Bilanz einzig durch die vom Rat bewilligten zusätzlichen sechs Verkehrsexperten zum Abbau der Rückstände bei den Fahrzeugprüfungen getrübt. Schon heute ist absehbar, dass die neu geschaffenen Stellen in der Zeit nach der Abarbeitung der besagten Rückstände neue Überkapazitäten hervorrufen.

Umsetzung Sparmassnahmen: Solide Mehrheiten für Kommissionsanträge

Mit der Unterstützung der FDP-Fraktion fanden die Kommissionsanträge bei der Umsetzung früher beschlossener Sparmassnahmen eine Mehrheit im Parlament. Die Abschaffung der ausserordentlichen Ergänzungsleistungen wird in einer Weise vollzogen, die soziale Härtefälle vermeidet. So sollen ab dem 1. Januar 2016 keine neuen Bezüger ausserordentliche Ergänzungsleistungen mehr erhalten. Wer bis zu diesem Stichtag Leistungen bezieht, erhält diese bis zum Zeitpunkt, an dem der Bund seine Mietzinsmaxima im Rahmen der ordentlichen Ergänzungsleistungen erhöht, weiterhin ausbezahlt.

Die im Zuge des Entlastungspakets 2013 beschlossene Begrenzung des Fahrkostenabzugs im Rahmen der Steuererklärung stellt Autofahrer und öV-Nutzer neu auf die gleiche Stufe. Konkret beträgt der maximale Fahrkostenbeitrag den Kosten eines SBB-Generalabonnements 2. Klasse (aktuell 3655 Franken). Für den Fall, dass der GA-Preis steigt, erhöht sich auch der Fahrkostenabzug für Autofahrer um den gleichen Betrag.

Vermummungsverbot: FDP macht Weg für eine Auslegeordnung frei

Im schwelenden Kopftuch-Streit hat der Kantonsrat am Dienstag die Weichen für eine Versachlichung der Diskussion gestellt. Anstelle eines von der SVP geforderten expliziten Verbots von „unziemlicher Kleidung, demonstrativen Symbolen und Kopfbedeckungen“ in der Volksschule fasste die Regierung den Auftrag, eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung der Bekleidungsvorschriften an Schulen auszuarbeiten, die insbesondere das Gebot der Verhältnismässigkeit beachten soll. Die FDP unterstützte zudem die Motion der CVP-EVP-Fraktion, die auf eine klare Regelung abzielt, inwiefern die öffentliche Schule die Grundrechte von Schulkindern und Eltern einschränken darf. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang vorab Dispense von Schulanlässen sowie Bestimmungen für die Beachtung religiöser Speise- und anderer Vorschriften. Einem Vorstoss der SVP, der über eine Ausweitung des Vermummungsverbots auf den gesamten öffentlichen Raum de facto ein Verbot von Niqab und Burka durch die Hintertür einführen will, wurde auf Antrag der FDP-Fraktion der (Wahlkampf-)Wind aus den Segeln genommen. Die Motion wurde in einer deutlich abgeschwächten Form überwiesen. Die Regierung soll zunächst eine Auslegeordnung zur Frage von zulässigen Bekleidungsvorschriften im öffentlichen Raum präsentieren. Von Interesse ist dabei insbesondere die Frage, wie viele Personen im Kanton St.Gallen von einer Ausweitung eines Vermummungsverbots betroffen wären. Für die FDP ist klar, dass ein Burka-Verbot auf Vorrat nicht in Frage kommt.

Sozialhilfe: Kein Negativwettbewerb unter den Gemeinden

Nachdem nach Rorschach und Rorschacherberg auch die Gemeinde St.Margrethen per Anfang Oktober ihre Sozialhilfeausgaben im Bereich des Grundbedarfs unter die unter den Gemeinden vereinbarten Bemessungsgrundlagen gesenkt hatte, waren die gesetzlichen Grundlagen der Sozialhilfe am Dienstag Thema im Kantonsrat. Das Gespenst des „Sozialtourismus“, sprich von Wanderbewegungen von Sozialhilfeempfängern in Gemeinden, die keine Kürzungen vornehmen, machte im Spätsommer die Runde. Mit den Stimmen der FDP wurde eine Motion überwiesen, die darauf abzielt, den befürchteten Negativwettbewerb unter den Gemeinden zu unterbinden. Die Regierung fasste den Auftrag, dem Parlament eine umfassende Revision des Sozialhilfegesetzes zu unterbreiten. Die darin enthaltenen Massnahmen sollen insbesondere dazu beitragen, die Solidarität unter den Gemeinden beim Vollzug der wirtschaftlichen Sozialhilfe zu stärken und Fehlanreize, die durch staatliche Transferleistungen entstehen, zu verhindern. Konkret sollen Instrumente geprüft werden, damit die Leistungen künftig gezielter ausgerichtet werden können als heute.

Richtplan: Parlament erhält bei Eckwerten Mitsprache

Zufrieden nimmt die FDP-Fraktion zur Kenntnis, dass der Kantonsrat bei der Festlegung der Eckwerte von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum im Rahmen des Richtplans ein Mitspracherecht erhalten soll. Durch das geänderte Raumplanungsgesetz hat der Richtplan eine völlig andere, strategische Bedeutung für die Entwicklung des Kantons erlangt. Er wird zur eigentlichen Stellschraube. Die am Mittwoch überwiesene Motion sieht vor, dass der Kantonsrat vor dem Erlass des Richtplans die Entwicklungsziele und Entwicklungsstrategien sowie die Bevölkerungs- und Arbeitsplatzentwicklung festlegt. Die strategischen Entscheide des Parlaments sowie die Vorgaben des Bundesrechts bilden schliesslich die Grundlage für die räumliche Verteilung des Siedlungsgebiets. Diese Festlegung wird von der Regierung – in Absprache und unter Einbezug der Gemeinden – festgelegt.

Wechsel in der Kantonsratsfraktion

In personeller Hinsicht steht die FDP-Fraktion vor zwei Wechseln. Ferdinand Riederer (Pfäfers) und Andreas Eggenberger (Rebstein) haben ihren Abschied aus dem Kantonsrat per Ende Jahr eingereicht. Ferdinand Riederer gehört dem Parlament seit 1992 an. Der unbestrittene Höhepunkt seiner Ratstätigkeit stellte zweifellos das Grossratspräsidium im Jahr 1998 dar. Zudem gestaltete Riederer die Politik über Jahre als Mitglied der Staatswirtschaftlichen Kommission sowie der Kommission für Aussenbeziehungen mit. Andreas Eggenberger nimmt nach 15 Jahren seinen Abschied aus dem Kantonsrat. Der Gemeindepräsident von Rebstein begleitete mehrere der zahlreichen Gemeindefusionen der letzten Jahre aktiv mit und setzte sich mit Herzblut für die Interessen der Rheintaler Bevölkerung ein.

Für Ferdinand Riederer rückt der Vilterser Primarlehrer Jens Jäger in den Kantonsrat nach, Andreas Eggenbergers Nachfolge tritt Rolf Huber, Gemeindepräsident von Oberriet, an.